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Was
heißt also Aneignung in diesem Fall? Aneignung heißt vor allem nicht
einfach Akzeptanz oder Diffusion eines technischen Artefakts oder Verfahrens,
sondern sie bedeutet ein aktives In-die-Hand-Nehmen, Zurichten, Umarbeiten. Der
Übergang von der englischen Straße zur sudanesischen Piste bedeutet
auch eine grundlegende technische Transformation. Bei der Aneignung des TJ wird
nicht eher zufällig da und dort etwas zugefügt (ein Heiligenbildchen
am Heck, Linoleumboden für die Fahrerkabine), verändert oder mit der
Zeit aufgegeben ("Wieso brauchen wir einen Blinker in der Wüste?"),
weil es eben doch nicht unbedingt nötig ist oder gerade nicht vorhanden.
Hier wird vielmehr ein noch funktionierender LKW, der i.d.R. einige Jahre als
Fabrikmodell gelaufen ist, bis auf das Skelett abgebaut und grundsätzlich
neu aufgebaut (Abb. 28, 29 u. 30).
Die Generalüberholung
ist also nur die eine Seite der Geschichte, die leicht sichtbare. Es wird ja nicht
dasselbe wieder zusammengesetzt, sondern es ist ein neues Auto entstanden. Dies
ist die endgültige Anpassung an den höheren Dienst im Sudan. Und dabei
finden Prinzipien des Automobilbaus Anwendung, die lokal erfunden worden sind.
Nicht die Übernahme, vielmehr die kreative Weitererfindung ist der Kern der
Aneignung.
Und es ist keinesfalls so, daß ein
Hochglanzauto, in Europa frisch vom Band gerollt, nach Afrika importiert und dort
langsam zu Schrott gefahren wird, bis es mangels Wartung schließlich auf
einem Elefantenfriedhof endet, wo es die scavenger der Gesellschaft dann
ausschlachten, um aus den Reifen Gummisandalen und aus dem wiederverwendbaren
Metall Schwerter und Pflugscharen zu basteln. Dies gibt es zweifellos auch (Streck 1996)
[Die Halab. Zigeuner am Nil. Wuppertal: Trickster / Hammer],
aber hier handelt es sich um den umgekehrten Prozeß: Aus dem Schrott des
Bedford TJ ist die strahlende Sifinja auferstanden. Nicht schneller (diese
Frage stellt sich nicht offroad und überladen), aber größer
(von sechs auf acht und neun Tonnen aufgerüstet, mit längerer Ladefläche
und breiterem Führerhaus), besser (haltbarer, bequemer, wendiger) und obendrein
auch noch schöner.
***
Die
Metamorphose ist aber alles andere als voraussetzungslos. Damit stellt sich die
Frage nach der Kreativität. Ich denke, die Kreativität der Aneignung
gedeiht vor allem unter Bedingungen eines relativen Wohlstands in der Armut, hauptsächlich
jedoch Professionalität, Nähe zu den zu lösenden Aufgaben und handwerklicher
Unabhängigkeit, wozu nicht nur unternehmerische Selbständigkeit sondern
auch eine handwerkliche Praxis gehört, die sich kulturelle Autonomie gegenüber
der europäischen Ingenieurstradition bewahrt hat.
An
der Arbeit der Aneignung sind viele beteiligt, in erster Linie eine ganze Reihe
spezialisierter Handwerker: Polsterer für die Ausstattung der Fahrerkabine,
Elektriker für die Neukonzeption und -verlegung der Autoelektrik, Lackierer
zum Spritzen von Restkabine, Kotflügeln und Motorverkleidung, Schreiner für
die Aufbauten der Kabine und des Laderaums, Mechaniker für Hinterachse, Motor
und Getriebe, Kalligraphen für den magischen Schutz und für die Verschönerung,
welcher sich im übrigen auch der Assistent des Fahrers bei jeder Gelegenheit
mit Hingabe widmet.